4. Wider den Neid

Der Neid ist ein äußerst großes Hindernis für die Kultivation. Er kann eine ernstzunehmende Wirkung auf einen Praktizierenden ausüben und seine Kultivationspotenz beeinträchtigen. Wegen des Neides kann einer seinen Mit-Praktizierenden schädigen und den Fortschritt bei der Kultivation ernsthaft stören. Ein Praktizierender muß seinen Neid restlos ablegen. Mancher hat eine gewisse Ebene bei der Kultivation erreicht, aber er kann sich seines Neides nicht erwehren. Je schwerer er es findet, seinen Neid loszuwerden, desto tiefer wird er in den Neid geraten. Das macht seine schon verbesserte Xinxing leicht zerbrechlich. Warum komme ich speziell auf den Neid zu sprechen? Weil sich der Neid bei den Chinesen am markantesten zeigt. Er bildet den größten Teil ihrer Ideologie, aber viele sind sich dessen nicht bewußt. Der Neid ist dem Orient eigen, deshalb wird er der orientalische Neid oder der asiatische Neid genannt. Die Chinesen sind sehr introvertiert und reserviert. Und sie lassen sich nichts anmerken. Deshalb ist es für sie leicht, den Neid zu entwickeln. Alles hat zwei Seiten, auch die Introvertierung hat ihre gute Seite und auch ihre schlechte Seite. Im Gegensatz dazu sind die Leute im Westen sehr extravertiert. Ein Schulkind zum Beispiel hat in der Schule die vollen Punkte bekommen. Voller Freude läuft es nach Hause und ruft dabei: "Ich habe die Prüfung in allen Punkten voll bestanden!" Die Nachbarn öffnen die Fenster oder die Türen und gratulieren: "Tom, gratuliere dir!" Alle teilen seine Freude. Wenn das in China geschehen würde, könnte man sich schon vorstellen, daß das, sobald man gehört hätte, eine starke Abneigung hervorgerufen hätte. Die Leute hätten aus Neid gesagt: "Es ist doch unverschämt, das zu zeigen. Wer hat nicht einmal schon die vollen Punkte bekommen?!" Die Reaktion ist ganz anders.

Eine Person, die mit Neid erfüllt ist, sieht andere immer über die Schulter an. Er duldet es auch nicht, wenn jemand ihn übertrifft. Wenn er bemerkt, daß jemand tüchtiger als er ist, gerät er sofort aus dem inneren Gleichgewicht. Und er kann das nicht ertragen und seine Unterlegenheit nicht zugeben. Wenn andere den Lohn erhöht bekommen haben, muß sein Lohn auch erhöht werden. Wenn andere einen Bonus bekommen haben, muß er auch die gleiche Summe haben. Wenn ihm ein Unglück passiert ist, will er, daß andere dieses Unglück mit ihm teilen. Wenn andere mehr verdienen, wird er schon darauf eifersüchtig. Mit einem Wort, er wird es nicht dulden können, wenn jemand ihn übertrifft. Manche Leute haben große Erfolge bei der wissenschaftlichen Forschung erzielt, wagen aber aus Angst vor dem Neid anderer nicht, die Prämien dafür anzunehmen. Manche Leute werden mit einem Ehrentitel ausgezeichnet, wagen aber aus Angst vor dem Neid und Spott seitens anderer nicht, es ihnen zu sagen. Manche Qigong-Meister fühlen sich unangenehm, wenn sie sehen, daß andere Qigong-Meister Vorlesungen halten. Sie möchten diesen bei ihren Vorlesungen Schwierigkeiten bereiten. Das zeigt, daß sie Probleme mit ihrer Xinxing haben. Manche Praktizierende üben zusammen. Einer von ihnen mag Kultivationsfunktionen bekommen haben, obwohl er eine ganz kurze Periode praktiziert hat. Dann gibt es schon Leute, die sagen: "Er hat doch nichts, worauf er stolz sein kann! Ich habe doch jahrelang praktiziert. Ich habe schon einen hohen Stapel von Abschlußzeugnissen vom Qigong-Kurs. Wie können die Kultivationsfunktionen bei ihm möglich sein, wenn ich noch keine bekommen habe?" Er glüht vor Neid. Ein Praktizierender soll in sich selbst die Ursache für die Probleme suchen. Er soll große Anstrengungen unternehmen, um sich zu kultivieren. Er soll sein Bestes tun, um sich zu entwickeln, indem er seine eigenen Unzulänglichkeiten berichtigt. Was nutzt der Neid, wenn du immer zurückbleibst, während andere bei ihrer Kultivation Fortschritte machen? Letzten Endes mußt du dich selbst kultivieren!

Ein Praktizierender kann seinen Mit-Praktizierenden aus Neid Schaden zufügen. Er kann zum Beispiel etwas Schlechtes sagen, damit es den anderen unmöglich gemacht wird, in den Zustand der Ruhe einzutreten. Wenn er gewisse Kultivationsfunktionen erzielt hat, kann er seine Mit-Praktizierenden schon schwer schädigen. Ein gut kultivierter Praktizierender zum Beispiel saß und praktizierte. Weil er Kultivationsenergie in seinem Körper besaß, sah er, dort sitzend, wie ein Berg aus. Und da schwebten zwei subtile Lebewesen auf ihn zu. Einer davon war früher ein Mönch, der sich wegen des Neids nicht vervollkommnen konnte. Trotzdem hatte er eine gewisse Kultivationspotenz. Als sie vor den sich Kultivierenden kamen, sagte der eine: "Das ist ein Herr, der sich kultiviert. Gehen wir um ihn herum!" Der andere sagte aber: "Ich habe einmal mit einem Hieb meiner Handfläche eine Ecke vom Berg Taishan abgeschlagen." Daraufhin hieb er auf den Praktizierenden. Als er aber die Hand hoch hob, konnte er sie nicht mehr niederlassen. Der Grund dafür ist, daß der Praktizierende das Richtige Gebot betrieb und dabei eine Schutzkappe um sich hatte. So gelang es dem anderen nicht, auf ihn zu schlagen. Es ist sehr gefährlich, einem Praktizierenden, der das Richtige Gebot praktiziert, Schaden zuzufügen. Deshalb hat der Mann seine Strafe bekommen. Ein neidischer Mensch schädigt nicht nur andere, sondern auch sich selbst.