3.5. Den Eigensinn beseitigen

Eigensinn bedeutet, dass die Praktizierenden an bestimmten Dingen oder einem bestimmten Ziel festhalten, nicht loslassen und übermäßig danach streben und nicht davon loskommen können, wobei sie auch noch sehr eigensinnig sind und auf keinen Rat hören. Manche trachten danach, auf dieser Welt einige übernatürlichen Fähigkeiten zu bekommen. Das wird mit Sicherheit ihre Kultivierung zu hohen Ebenen beeinträchtigen. Je stärker dieses Streben ist, desto schwieriger ist es, darauf zu verzichten, und desto unausgeglichener und schwankender werden sie innerlich. Zum Schluss meinen sie, dass sie nichts bekommen haben. Sie werden sogar noch das, was sie erlernt haben, anzweifeln. Der Eigensinn entstammt den Begierden des Menschen. Seine Ziele bewegen sich offensichtlich innerhalb enger Grenzen und sind relativ klar und konkret; das ist das Besondere daran; und normalerweise ist das dem Menschen selbst nicht bewusst. Gewöhnliche Menschen haben viel Eigensinn. Um etwas zu bekommen oder irgendein Ziel zu erreichen, setzen sie alle erdenklichen Mittel ein. Der Eigensinn eines Praktizierenden zeigt sich aber auf andere Weise, zum Beispiel nach einer bestimmten übernatürlichen Fähigkeit zu trachten, sich zwanghaft einem bestimmten Phänomen hinzugeben oder an einer bestimmten Erscheinung festzuhalten und so weiter. Ganz gleich, wonach du als Praktizierender auch trachtest, das ist nicht richtig. Dieses Streben muss beseitigt werden. Im taoistischen System wird von dem „Nichts“ (Wu) geredet, im buddhistischen System wird von der Leere geredet, in die Leere zu gehen. Letztlich sollen wir das „Nichts“ und die Leere erreichen und allen Eigensinn ablegen. Alles, was du nicht aufgeben kannst, sollst du aufgeben. Zum Beispiel das Trachten nach den übernatürlichen Fähigkeiten. Wenn du danach trachtest, bedeutet das, dass du sie verwenden willst. In Wirklichkeit läuft das den Eigenschaften unseres Kosmos zuwider und in Wirklichkeit ist das schließlich eine Frage der Xinxing. Wenn man etwas haben will, möchte man es sicherlich vor den anderen Menschen zur Schau stellen oder damit prahlen. Aber diese Dinge sind nicht dazu da, um damit vor anderen zu prahlen. Auch wenn du wegen eines sehr reinen Zweckes damit nur etwas Gutes tun willst, muss es nicht unbedingt eine gute Sache sein, wenn du es tust. Wenn du mit außergewöhnlichen Methoden in die Dinge der gewöhnlichen Menschen eingreifst, ist es nicht unbedingt eine gute Sache. Manche haben in meinem Seminar gehört, dass bei siebzig Prozent der Kursteilnehmer das dritte Auge geöffnet ist. Dann überlegten sie: „Warum habe ich nichts gespürt?“ Beim Praktizieren der Übungen zu Hause konzentrierten sie sich auf das dritte Auge, wobei sie sogar Kopfschmerzen bekamen. Trotzdem konnten sie zum Schluss nichts sehen. Das ist Eigensinn. Die körperliche Qualität eines jeden ist unterschiedlich, die Grundlage ist auch jeweils anders. Es ist unmöglich, dass alle gleichzeitig mit dem dritten Auge sehen können, es ist auch unmöglich, dass sich das dritte Auge eines jeden Menschen auf derselben Ebene befindet. Manche können etwas sehen, manche nicht. Das alles ist normal.

Eigensinn kann die Kraft des Gong eines Praktizierenden stagnieren oder schwanken lassen. In schlimmeren Fällen kann er die Praktizierenden sogar auf Abwege führen. Diejenigen mit einer schlechten Xinxing könnten zum Beispiel mit manchen übernatürlichen Fähigkeiten etwas Schlechtes tun. Es gibt Beispiele dafür, dass jemand Schlechtes getan hat, weil seine Xinxing nicht solide war. Bei einem Studenten ist die Fähigkeit der Gedankenkontrolle aufgetaucht, wobei er mit seinem Denken die Gedanken und Taten anderer steuern konnte. Er benutzte diese Fähigkeit, um Schlechtes zu tun. Bei manchen sind einige Erscheinungen bei den Übungen aufgetaucht, und sie wollen immer genau sehen, was sie waren und was tatsächlich passiert war. Das ist auch eine Art Eigensinn. Manche haben bestimmte Vorlieben zu Süchten entwickelt, auf die sie nur sehr schwer verzichten können. Das ist auch Eigensinn. Die Grundlagen und die Zielsetzungen der Menschen sind verschieden; manche praktizieren, um ihre höchste Ebene zu erreichen, während manch andere praktizieren, nur um etwas Bestimmtes zu bekommen. Das führt mit Sicherheit dazu, dass das Ziel des Praktizierens eingeschränkt wird. Wenn diese Art Eigensinn nicht beseitigt wird, kann ihr Gong nicht wachsen, auch wenn sie Übungen machen. Deshalb sollten Praktizierende alle materiellen Interessen leicht nehmen, nach nichts trachten und bei allem dem natürlichen Lauf folgen. So kann vermieden werden, dass Eigensinn entsteht. Es kommt allein auf die Xinxing des Praktizierenden an. Wenn die Xinxing nicht von Grund auf erhöht wird und wenn auch nur ein einziger Eigensinn nicht beseitigt wird, kann man keinen Erfolg bei der Kultivierung haben.