2. Verlust und Gewinn

In den Qigong- und religiösen Kreisen wird von Verlust und Gewinn gesprochen. Manche Leute meinen, daß Verlust bedeute, Almosen zu geben, etwas Gutes zu tun sowie demjenigen zu helfen, der irgendwelche Schwierigkeiten hat, und Gewinn bedeute Erwerb der Kultivationsenergie. Mönche in den Tempeln sagen auch, daß man Almosen geben sollte. Darunter Verlust zu verstehen ist sehr unzureichend. Der Verlust, den wir meinen, ist in einem viel weiteren Sinne zu verstehen. Was man verlieren sollte, sind nach unseren Forderungen die weltlichen Gedanken und eigensinnige Neigungen. Du sollst das verlieren können, was du für wichtig hältst, worauf du eigentlich nicht verzichten kannst. Das ist der wahre Verlust. Etwas Gutes für andere zu tun und Barmherzigkeit anderen gegenüber zu zeigen, das ist nur ein geringer Teil des Verlustes.

Es ist das Ziel eines Nicht-Praktizierenden, berühmt zu werden, Profit zu machen, ein besseres Leben zu führen, gemütlich zu leben und viel Geld zu verdienen. Es ist für uns Praktizierende aber ganz anders. Was wir bekommen, ist die Kultivationsenergie, und die gehört nicht zu diesen Dingen. Deshalb müssen wir auf die persönlichen Interessen verzichten und dürfen diese nicht so ernst nehmen. Verlieren werden wir jedoch nichts. Weil wir uns unter den normalen Menschen kultivieren, müssen wir uns wie normale Menschen verhalten. Der Schlüssel liegt darin, daß du deine Gedanken an die persönlichen Interessen loswirst. Was dir gehört, kann nicht verlorengehen, was dir nicht gehört, kannst du dir auch nicht erwerben. Auch wenn du dir es verschafft hast, mußt du es demjenigen, dem es eigentlich gehört, zurückgeben, weil das Nehmen immer von dem Geben begleitet ist. Natürlich ist es nicht zu erwarten, daß man auf einmal alles ideal macht, weil man nicht über Nacht ein Erleuchteter werden kann. Aber es ist durchaus möglich, daß man sich Schritt für Schritt kultiviert und sich Stufe um Stufe erhöht. Was die persönlichen Interessen betrifft, sollst du dich ihnen gegenüber teilnahmslos zeigen. Du sollst lieber weniger bekommen, aber dich immer beruhigt fühlen. In bezug auf materielle Dinge verlierst du vielleicht etwas, dafür gewinnst du aber mehr De-Substanz und Kultivationsenergie. So ist das Prinzip. Aber es wird nicht von dir erwartet, daß du mit Absicht die De-Substanz gegen Ruhm, Vorteile und Gehalt austauschst, was man mit einigem Scharfsinn verstehen wird.

Ein Praktizierender, der den Dafa kultiviert, sagte einmal: "Was die anderen wollen, will ich nicht. Was die anderen haben, habe ich nicht. Aber sie haben auch nicht, was ich besitze." Es ist für einen normalen Menschen sehr schwierig, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Er würde gerne alles außer den Steinen auf dem Boden haben. Dieser Praktizierende sagte aber, daß er gerne diese Steine hätte. Ein Sprichwort sagt: Seltenheiten sind Kostbarkeiten. Die Steine kosten auf dieser Welt nicht viel, aber sie sind auf der anderen Welt sehr teuer. Dies ist eine Philosophie, für die ein normaler Mensch kein Verständnis zeigt. Viele Adepten, die sich vervollkommnet haben, haben gar nichts, für diese Leute gibt es nichts, worauf sie nicht verzichten könnten.

Den Weg zur Kultivation einzuschlagen ist richtig, Niemand ist klüger als die Praktizierenden. Den Vorteil, nach dem ein normaler Mensch strebt, um den er kämpft, kann er nur für kurze Zeit genießen. Was nutzt ihm denn dieser kleine Vorteil, auch wenn er ihn erstrebt oder erkämpft hat? Ein Spruch sagt: Dieser Vorteil kann nicht bei der Geburt mitgebracht und beim Sterben auch nicht mitgenommen werden. Man kommt nackt zur Welt, man scheidet auch nackt aus der Welt. Selbst die Knochen werden zu Asche verbrannt. Ganz gleich, ob du ein Millionär oder ein hoher Beamter bist, du kannst beim Sterben nichts mitnehmen. Die Kultivationsenergie aber kannst du mitnehmen, denn sie bleibt immer bei deinem Zhuyishi. Ich sage dir, daß es nicht leicht ist, die Kultivationsenergie zu erwerben. Sie ist so wertvoll, daß sie nicht gegen tausend Unzen Gold zu tauschen ist. Wenn du eines Tages, wenn deine Kultivationsenergie sehr hoch ist, die Kultivation aufgeben möchtest, kann sich deine Kultivationsenergie zu dem Materiellen umformen, was du dir wünschst und auch bekommen kannst, vorausgesetzt, daß du nichts Schlechtes tust. Aber du kannst nur das bekommen, was von dieser Welt ist. Was ein Praktizierender bekommen kann, kannst du nie und nimmer mehr bekommen.

Für ihre eigenen persönlichen Interessen haben manche Leute durch unfaire Methoden das in die Hand bekommen, was ihnen eigentlich nicht gehört. Sie bilden sich ein, daß sie dabei profitiert hätten. In der Tat haben sie diesen kleinen Vorteil aber gegen ihre De-Substanz ausgetauscht, nur wissen sie das selbst nicht. Dafür nimmt ihre Kultivationsenergie ab, wenn es einen Praktizierenden betrifft; seine Lebenserwartung wird verkürzt, oder etwas anderes wird reduziert, wenn es um einen normalen Menschen geht. Am Ende wird also abgerechnet, das liegt im himmlischen Prinzip. Manche Leute pflegen andere zu schikanieren oder mit bösen Worten zu kränken. Mit diesen üblen Taten geben sie den Gegnern einen entsprechenden Teil ihrer De-Substanz, die Schikanierung anderer tauschen sie gegen ihre De-Substanz aus.

Manche Leute meinen, daß gute Menschen oft Verluste erleiden. In den Augen der normalen Menschen ist das wirklich so. Aber sie haben doch auch das bekommen, was normale Menschen nicht bekommen können, nämlich das De, eine Art weißer Substanz, die äußerst wertvoll ist. Ohne die De-Substanz entsteht keine Kultivationsenergie, das ist eine absolute Wahrheit. Viele Leute betreiben das Qigong, aber ihre Kultivationsenergie wächst nicht. Warum? Weil sie keine De-Substanz durch die Kultivation bekommen. Viele Leute reden über das De, sie stellen Forderungen an das De. Aber sie haben nicht erklärt, wie das De in die Kultivationsenergie umgewandelt wird. Sie überlassen das dem Verständnis des Praktizierenden. Die Tripitaka, die aus Tausenden von Bänden besteht, das Dharma, über das Sakyamuni mehr als vierzig Jahre redete, behandeln alle das De. Die alten klassischen chinesischen Texte über die Kultivation beziehen sich alle auf das De. In dem klassischen "Dao De Jing" mit 5000 Wörtern, verfaßt von Laotse, geht es auch um das De. Aber es gibt immer noch Leute, die das nicht verstehen.

Wir legen großen Wert auf den Verlust. Du mußt etwas verlieren, um etwas zu bekommen. Wenn du dich tatsächlich kultivieren willst, wirst du auch in Drangsal geraten. Im alltäglichen Leben wirst du mit körperlichen Leiden zu tun haben, du wirst dich hier und da am Körper unpäßlich fühlen, aber das ist keine Erkrankung. Außerdem kann das auch in der Gesellschaft, zu Hause in der Familie oder in der Einheit, wo du arbeitest, passieren. Es können plötzlich aus persönlichen Interessen Widersprüche oder Reibungen wegen der Gefühle auftauchen. All dies verfolgt den Zweck, deine Xinxing zu verbessern. Manchmal kommen solche Sachen ganz unerwartet und brechen stürmisch aus. Wie wirst du dich verhalten, wenn du auf eine Widerwärtigkeit stößt, die dich in Mißkredit bringt und blamiert? Du sollst dich ganz ruhig verhalten. Wenn du dich so benehmen kannst, dann kannst du deine Xinxing durch diese Widerwärtigkeit verbessern, und deine Kultivationsenergie kann auch entsprechend erhöht werden. Wenn du etwas leidest, bekommst du auch etwas. Wieviel du ausgibst, so viel bekommst du auch. Es ist schwer, das für einen in der Drangsal zu begreifen. Aber wir müssen unser Bestes tun, um das zu verstehen. Ein Praktizierender soll sich nicht so benehmen wie ein normaler Mensch. Im Konfliktfall müssen wir unsere Großzügigkeit beweisen. Weil wir unter normalen Menschen praktizieren, haben wir auch unter normalen Menschen unsere Xinxing zu verbessern. Wenn wir straucheln, können wir daraus doch eine Lehre ziehen. Es ist unmöglich, auf gar keine Drangsale zu stoßen und die Kultivationsenergie auf angenehme Weise zu verstärken.